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Fälle des Monats

Fall des Monats „April 2011“: Spritzenverwechslung: Körperpflegeöl an Stelle von Furosemid beinahe intravenös gegeben

  • Titel: Spritzenverwechslung: Köperpflegeöl an Stelle von Furosemid beinahe intravenös gegeben
  • Altersgruppe: Keine Angabe
  • Geschlecht: Keine Angabe
  • Zuständiges Fachgebiet: Chirurgie
  • In welchem Kontext fand das Ereignis statt?: Nichtinvasive Massnahmen (Diagnostik / Therapie)
  • Wo ist das Ereignis passiert?: Krankenhaus
  • Versorgungsart: Routinebetrieb
  • Was ist passiert?: Körperpflegeöl wurde in 20ml-Spritze aufgezogen, beschriftet und auf den Patientennachttisch abgelegt. Dort lag auch eine gerichtete 2ml- Spritze mit Furosemid. Eine Kollegin bekam den Auftrag, "das Medikament" auf dem Nachttisch i.v. zu applizieren. Mehr durch Zufall kam eine andere Kollegin zur Szenerie, just, als das Pflegeöl intravenös appliziert werden sollte.
  • Was war das Ergebnis?: Es ist nichts passiert, bei uns in der Stationssitzung wurde der Punkt thematisiert, aber keine adäquate Lösung gefunden (Bunte Aufkleber, andersfarbige Spritzen etc.)
  • Wo sehen Sie Gründe für dieses Ereignis und wie könnte es in Zukunft vermieden werden?: Die bei uns geltende Regel "Wer das Medikament aufzieht, spritzt es auch" wurde nicht eingehalten. Das Pflegeöl wird in einer großen Flasche geliefert, was zu einer Umfüllung in Spritzen führt.
  • Wie häufig tritt ein solches Ereignis ungefähr auf?: Erstmalig
  • Kam der Patient zu Schaden?: nein
  • Welche Faktoren trugen zu dem Ereignis bei?: Kommunikation (im Team, mit Patienten, mit anderen Ärzten etc.); Medikation (Medikamente beteiligt?)
  • Wer berichtet?: Pflege-, Praxispersonal

Kommentare

  1. Wieso wird denn Pflegeöl überhaupt in Spritzen abgefüllt? Wären kleine Becher nicht sinnvoller, bzw. deutlich ungefährllicher?
  2. Die Spritze zu beschriften, ist ja ein erster sinnvoller Schritt zur Fehlervermeidung. Natürlich muss man dann auch darauf achten, was auf der Spritze steht, die man gerade an die Nadel ansetzt. Und auch die Anweisung ("das Medikament") könnte spezifischer sein: "2ml-Spritze mit Furosemid"

Fachkommentar des Fachbeirats CIRSmedical.de (Deutscher Pflegerat)

Autorin: Heiderose Killmer / Zentrumsleitung Pflege im Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf

Aus dem Klinik- und Praxisalltag ist der Einsatz von Spritzen nicht wegzudenken. Vor dem Hintergrund dieses Falls stellt sich die Frage, wie vielseitig der Nutzungszweck einer Spritze sein darf oder ob er eingeschränkt werden muss.

Im Alltag hat die Spritze weit über den medikamentösen Zweck hinausgehend ihre Anwendung gefunden. So werden Spritzen zu jeglicher Art von Flüssigkeitsapplikationen gerne benutzt. Geschätzt wird die Spritze wegen ihrer feinen Skalierung und präzisen Applikationsmöglichkeit. Es sind im medizinischen Alltag keine anderen Instrumente bekannt, mit denen man ganz einfach eine Flüssigkeit abmessen, verschlossen zur Seite legen und wieder applizieren kann. Aufgrund ihres vielseitigen Einsatzes werden Verbote nur schwer umsetzbar sein, auch wenn es sich gezeigt hat, dass Verwechslungen und Beinahe-Verwechslungen bei der Medikamentenapplikation immer wieder passieren, wenn Spritzen für andere Zwecke verwendet werden.

Eine große Spritze mit einer kleinen zu verwechseln - wie in diesem Fall beschrieben - lässt vermuten, dass die Pflegeperson wahrscheinlich keine ausreichende Erfahrung und Ausbildung hatte, um i. v. Medikamente applizieren zu dürfen. Sollte diese Beinahe-Verwechslung durch eine Pflegefachkraft verursacht worden sein, ist anzunehmen, dass sie sehr stark abgelenkt oder angespannt war.

Maßnahmen zur Vermeidung solcher Verwechslungen:

  • Spritzen mit standardisierten Etiketten beschriften
  • Unit dose-Verpackung für den einzelnen Patienten
  • Elektronisch-technische Unterstützung des Medikationsprozesses, von Verordnung bis hin zum Patienten (Bedside-scanning)
  • Vier-Augen Prinzip bei der Zubereitung und Applikation von Medikamenten, wenn möglich, einhalten
  • keine aufgezogenen Spritzen unbeaufsichtigt im Patientenzimmer ablegen. (Dies führt nicht nur zu dem genannten Fehlverhalten, sondern auch Missbrauch ist nicht auszuschließen.)
  • Köperpflegeöl und andere Flüssigkeiten für den externen Gebrauch nicht in Spritzen, sondern in passende Behältnisse (Flaschen mit Tropfeinsatz, kleine Becher mit Deckel) abfüllen
  • Einbezug der Apotheke für die Abfüllung des Körperpflegeöls in passende Behältnisse
  • Eventuell Verwendung von unterschiedlich-farbigen Spritzenkolben für unterschiedliche Anwendungen
  • Vorgefallenes Ereignis kommunizieren, d. h. andere Mitarbeiter darauf aufmerksam machen und gegebenenfalls schulen