CIRS Berlin ÄZQ Deuschte Krankenhaus Gesellschaft Deutscher Pflegerat e.V.

Fälle des Monats

Fall des Monats „November 2012“: Mangelhafte Identifikation von Patientinnen: Wo ist "ganz vorne"?

  • Titel: Mangelhafte Identifikation von Patientinnen: Wo ist "ganz vorne"?
  • Altersgruppe: Unbekannt
  • Geschlecht: Weiblich
  • Zuständiges Fachgebiet: Innere Medizin
  • In welchem Kontext fand das Ereignis statt?: Nichtinvasive Massnahmen (Diagnostik / Therapie)
  • Wo ist das Ereignis passiert?: Krankenhaus
  • Versorgungsart: Routinebetrieb
  • Was ist passiert?: Der diensthabende Arzt wurde gerufen, um ein Erythrozytenkonzentrat (EK) anzuhängen. Auf die Frage des Arztes, wer das EK erhalten soll, folgt die Antwort: "Ganz vorne die Patientin". Der Arzt ging daraufhin zur Patientin "ganz vorne" und fragte: "Sind sie Frau Schmidt", Antwort: "Ja". Daraufhin erfolgte der Bedside-Test, der die richtige Blutgruppe ergab. Das Blut wurde über den zentralen Katheter angehängt. Auf Nachfrage der Schwester wo der Arzt das Blut angehängt habe, erhält sie die Antwort: "Ganz vorne bei Frau Schmidt". Daraufhin erklärt die Schwester: "Die liegt doch ganz hinten. Das Blut war für Frau Huber.". [Anm: Die Namen der Patientinnen wurden verändert.]
  • Was war das Ergebnis?: Das EK wurde sofort abgehängt und verworfen.
  • Wo sehen Sie Gründe für dieses Ereignis und wie könnte es in Zukunft vermieden werden?:
    1. Unkonkrete Aussage der Schwester zum Patientennamen
    2. mangelhafte Identifikation der Pat. durch den Arzt
    3. Vermeidung durch Einhaltung der Regelungen des Transfusionshandbuches
  • Wie häufig tritt ein solches Ereignis ungefähr auf?: Erstmalig
  • Kam der Patient zu Schaden?: Minimaler Schaden / Verunsicherung des Patienten
  • Welche Faktoren trugen zu dem Ereignis bei?:
    • Kommunikation (im Team, mit Patienten, mit anderen Ärzten etc.)
    • Ausbildung und Training
  • Wer berichtet?: Pflege-, Praxispersonal

Fachkommentar des Fachbeirats CIRSmedical.de

Autorin: Dr. med. Barbara Hoffmann, Ärztekammer Berlin, Abteilung Fortbildung / Qualitätssicherung

Auf einer internistischen Station wird im Laufe des Tages die Indikation für eine Bluttransfusion bei Frau Huber [Namen verändert] gestellt, allerdings kann das Erythrozytenkonzentrat erst durch den ärztlichen Bereitschaftsdienst verabreicht werden. Bei dem berichteten Ereignis haben sich dabei mehrere Fehler aneinandergereiht, so dass am Ende tatsächlich Frau Schmidt statt Frau Huber die Transfusion erhält – gluücklicherweise haben beide Patientinnen die gleiche Blutgruppe und schon nach sehr kurzer Zeit wurde die Verwechslung bemerkt. Möglicherweise kam der Arzt im Bereitschaftsdienst nach erfolgter Transfusion aus einem anderen Zimmer, als es die Pflegeperson vorausgesehen hatte, und sprach ihn daraufhin an. Alles noch mal gut gegangen?

Bei den folgenden Prozessen hätte im vorliegenden Ereignis die Fehlerkette unterbrochen werden können:

  1. Die Anordnung der Transfusion erfolgt in der Patientenakte und wird vor der Vorbereitung zur Transfusion kontrolliert.
  2. Die für den Bereitschaftsdienst vorgesehene Aufgabe, Frau Huber ein Erythrozytenkonzentrat zu verabreichen, wird mit allen wichtigen Informationen (Patientenname, Geburtsdatum, Station, Zimmer, Indikation) an den Bereitschaftsdienst kommuniziert (idealerweise innerhalb des ärztlichen Dienstes).
  3. Bei der Vorbereitung der Transfusion (Zusammenstellen der Materialien, Anstecken und Befüllen des Transfusionsbestecks) wird der Begleitschein (der u. a. den Namen des Patienten und das Geburtsdatum enthält) geprüft und dabei nicht von dem Erythrozytenkonzentrat getrennt.
  4. Bei der Abstimmung zwischen ärztlichem Bereitschaftsdienst und Pflegekräften auf der Station (Wer soll die Transfusion erhalten?) sollte die Anordnung nochmals überprüft werden und Name und Zimmer des Patienten eindeutig übergeben werden.
  5. Die Patientin muss aktiv identifiziert werden. D. h. „Wie heißen Sie und wann sind Sie geboren?”. "Sind Sie Frau Müller-Lüdenscheid?" ist keine aktive Identifizierung, da die Patientin nicht aktiv ihren Namen nennen muss.
  6. Vor der Transfusion muss nochmals neben der Übereinstimmung der Blutgruppen die Angaben auf dem Begleitschein mit den Patientendaten verglichen werden. Dabei wird das Ergebnis des bedside-Tests auf einem Transfusionsprotokoll dokumentiert.

Die grafische Darstellung (siehe pdf unten) illustriert den Prozess und die Sicherheitslücken darin nochmal und zeigt, wo in diesem Fall zur Vermeidung ähnlicher Ereignisse angesetzt werden kann. Die Handlungen der beteiligten Personen und die Sicherheitslücken (rote Sterne) sind jeweils dargestellt.

Siehe auch:

Zur Problematik der korrekten Patientenidentifikation hat eine Arbeitsgruppe des Aktionsbündnis Patientensicherheit eine Handlungsempfehlung veröffentlicht. Diese finden Sie zum Download auf der Seite des APS oder hier:

Medien:

  1. Dateiname: KH-CIRS-Netz-D-FdM-November-2012-Darstellung Fehlerkette.pdf
    Kommentar: Darstellung Fehlerkette