CIRS Berlin ÄZQ Deuschte Krankenhaus Gesellschaft Deutscher Pflegerat e.V.

Fälle des Monats

Fall des Monats „Juli 2013“: Überwachung prämedizierter Patienten

  • Titel: Überwachung prämedizierter Patienten
  • Altersgruppe: Unbekannt
  • Geschlecht: Unbekannt
  • Zuständiges Fachgebiet: anderes Fachgebiet: OP Bereich
  • In welchem Kontext fand das Ereignis statt? k. A.
  • Wo ist das Ereignis passiert? Krankenhaus
  • Versorgungsart: Routinebetrieb
  • Was ist passiert? Ein prämedizierter Patient lag ohne Pflegeperson im Einleitungsraum des OPs, er wurde nur mit einem SpO2 Sensor am Monitor überwacht und ist mit seiner Sauerstoffsättigung auf 70% abgefallen.
  • Was war das Ergebnis? Patient wurde deutlich zu früh für die geplante OP einbestellt, in den OP Trakt, und lag zu lange im Einleitungsraum/OP Bereich unbetreut, unbeaufsichtigt und alleine.
  • Wo sehen Sie Gründe für dieses Ereignis und wie könnte es in Zukunft vermieden werden? Falsche Zeitangaben durch die Operateure, zu frühes Bestellen und zu viel bestellte Patienten durch die OP Organisation. Im laufenden Betrieb kann nicht für jeden Saal der belegt ist, fast zeitgleich der Folge-Patient bestellt werden.
  • Wie häufig tritt ein solches Ereignis ungefähr auf? Täglich
  • Kam der Patient zu Schaden? Minimaler Schaden / Verunsicherung des Patienten
  • Welche Faktoren trugen zu dem Ereignis bei?
    • Kommunikation (im Team, mit Patienten, mit anderen Ärzten etc.)
    • Teamfaktoren (Zusammenarbeit, Vertrauen, Kultur, Führung etc.)
    • Organisation (zu wenig Personal, Standards, Arbeitsbelastung, Abläufe etc.)
    • Kontext der Institution (Organisation des Gesundheitswesens etc.)
    • Medikation (Medikamente beteiligt?)
  • Wer berichtet? Pflege-, Praxispersonal

Fachkommentar des Fachbeirats CIRSmedical.de (BDA/DGAI):

Autoren: Dr. iur. Biermann und Dr. med St. Pierre in Vertretung des Berufsverbandes Deutscher Anästhesisten (BDA) und der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie & Intensivmedizin (DGAI)

Die vorliegende Meldung schildert einen Zwischenfall, dessen patientenschädigendes Potential sich nur durch Zufall nicht verwirklicht hat: Ein prämedizierter Patient liegt unbeobachtet in einem Einleitungsraum und zeigt dabei Sättigungsabfälle bis unter 70%.

Dem Melder ist Recht zu geben, dass eine persönliche Überwachung eines prämedizierten Patienten jederzeit gewährleistet werden muss und die Anforderungen an eine kontinuierliche präoperative Überwachung nicht variabel und lediglich der Einschätzung vor Ort überlassen sind („Benötigen wir eine Aufsichtsperson oder kann der Patient ohne Überwachung auf seine Einleitung warten?”). Vielmehr sind diese durch juristischen Vorgaben klar geregelt sind: So hat das Kammergericht Berlin (Urteil vom 22.08.1983 Az. 20 U 12/82 AHRS 3010/18) Krankenhausträger wegen eines Organisationsverschuldens auf Schadenersatz verurteilt, weil dieser nach einer Vollnarkose in der kritischen Aufwachphase nicht für eine lückenlose Überwachung des Patienten mit Sichtkontakt mindestens alle zwei Minuten gesorgt hatte.

Auch wenn die medizinische Problematik der postoperativen Überwachung im Aufwachraum nicht mit der eines prämedizierten Patienten vor Narkosebeginn im Einleitungsraum identisch sein mag, so macht das Urteil dennoch unmissverständlich klar, dass der Gesetzgeber keine Überwachungslücken toleriert, die den Patienten gefährden könnten. Ist dies dennoch der Fall, so drohen zivil- und strafrechtliche Konsequenzen, wenn der Patient, etwa durch einen Sturz, oder einen sonstigen Zwischenfall, der nicht rechtzeitig entdeckt wurde, zu Schaden kommt. Personalengpässe oder ökonomische Zwänge entschuldigen nicht. Der Bundesgerichtshof, die höchste Instanz in Zivil- und Strafsachen, hat stets betont, dass im Spannungsverhältnis zwischen Wirtschaftlichkeitserwägungen und Sorgfaltspflichten den Sorgfaltspflichten Vorrang einzuräumen ist.

Diese Überwachung lückenlos gewährleisten zu können, fällt in den Aufgabenbereich der Anästhesiologie. So heißt es in den interdisziplinären Vereinbarungen des BDA und des BDC (unter 1.1): „Für die Lagerung des Patienten zur Einleitung der Narkose und für die Überwachung bis zur operationsbedingten Lagerung ist der Anästhesist verantwortlich.” Die lückenlose Überwachung ist zum Beispiel durch strukturelle oder personelle Regelungen zu gewährleisten.

Literatur