Fälle des Monats
- Fall des Monats "Dezember 2025": Therapieumstellung nicht durchgeführt (Bericht aus CIRS-NRW)
- Kommentar
Fall des Monats "Dezember 2025": Therapieumstellung nicht durchgeführt (Bericht aus CIRS-NRW)
Fall-Nummer:
282901
Zuständiges Fachgebiet:
Innere Medizin
Altersgruppe des Patienten:
unbekannt
Geschlecht des Patienten:
leer
Wo ist das Ereignis passiert?
Krankenhaus
Welche Versorgungsart:
leer
In welchem Kontext fand das Ereignis statt:
leer
Was ist passiert?
Bei einem Patienten sind seit der Aufnahme neue Medikamente angeordnet. Trotzdem bekommt der Patient Medikamente aus eigenem Bestand. Die Medikamente wurden von der Station nicht gestellt. Somit wurde die Therapieumstellung nicht durchgeführt.
Was war das Ergebnis?
Nach Feststellung wurden die neu angeordneten Medikamente gegeben.
Wo sehen Sie Gründe für dieses Ereigniss?
Nichteinhaltung oder Unkenntnis von festgelegten Prozessen. Es gibt eine SOP zum Umgang mit Arzneimitteln, in der die Einnahme von Medikamenten aus eigenem Bestand des Patienten geregelt ist. Diese Vorgaben wurden nicht eingehalten.
Durchgeführte Maßnahmen: Schulung der Vorgaben und Thematisierung des Vorgehens in mehreren verschiedenen pflegerischen und ärztlichen Besprechungen.
Kam der Patient zu Schaden?
leer
Welche Faktoren trugen zu dem Ereignis bei:
- Kommunikation (im Team, mit Patienten, mit anderen Ärzten etc.)
- Ausbildung und Training
- Persönliche Faktoren des Mitarbeiters (Müdigkeit, Gesundheit, Motivation etc.)
- Medikation (Medikamente beteiligt?)
Wie häufig tritt dieses Ereignis ungefähr auf?
nicht anwendbar
Wer berichtet?
Pflege-, Praxispersonal
Feedback des CIRS-Teams / Fachkommentar
Kommentar:
Fachkommentar:
Vielen Dank für Ihre Eingabe.
Wie der Berichtende angibt, erfolgte die Medikamentenumstellung nicht den Patienten, da dieser weiterhin die Medikamente aus seinem eigenen Bestand eingenommen hat.
Beitragende Faktoren zum Ereigniseintreten werden im Fallbericht angegeben und können sein:
- Nichteinhaltung oder Unkenntnis von festgelegten Prozessen
- fehlende Einhaltung von Vorgaben in Bezug auf die Einnahme von eigenen Medikamenten
- evtl. fehlende Verantwortlichkeiten, wer Patienten über angepasste Medikation informieren / aufklären soll
Grundsätzlich gilt:
Wenn ein Patient zu einer stationären Behandlung kommt, hat er Anspruch auf die Weiterführung seiner medikamentösen Therapie [1], diese wird in der Fallpauschale für den stationären Aufenthalt mit abgerechnet.
„Die Krankenhausbehandlung umfasst im Rahmen des Versorgungsauftrags des Krankenhauses alle Leistungen, die im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinische Versorgung der Versicherten im Krankenhaus notwendig sind, insbesondere ärztliche Behandlung (§ 28 Abs. 1), Krankenpflege, Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln, Unterkunft und Verpflegung; die akutstationäre Behandlung umfasst auch die im Einzelfall erforderlichen und zum frühestmöglichen Zeitpunkt einsetzenden Leistungen zur Frührehabilitation."
Wenn ein Patient seine Medikamente selbständig weiternehmen möchte, muss er darüber den ärztlichen und pflegerischen Dienst informieren. Dieses muss in der Patientendokumentation festgehalten werden. Das ist wichtig, um z. B. eine Doppeleinnahme zu vermeiden.
Bei Medikamentenänderungen bzw. -umstellung ist es notwendig, die Patienten hierüber zu informieren und die Medikation entsprechend anzupassen.
Wenn die mitgebrachten Medikamente keine Sonderanforderungen oder spezielle Medikamente sind, ist zu empfehlen, dass die Medikamente durch die Klinik gestellt werden. Die Patienten sollten in einem gemeinsamen Gespräch darüber aufgeklärt werden, dass so Medikamentenänderungen / -anpassungen sie am ehesten erreichen.
Ihr CIRS-Team der BÄK [2025]
Literatur:
[1] Sozialgesetzbuch (SGB V); gesetzliche Krankenversicherung, § 39 Krankenhausbehandlung. Online: http://www.sozialgesetzbuch-sgb.de/sgbv/39.html
Schlagworte: Medikamentenanordnung, Medikationsdokumentation
Ergänzung des Fachkommentars:
Autoren: Carolin Zaulig und Dr. Dicheva-Radev, Abteilung Arzneimittel der Deutschen Krankenhausgesellschaft e. V., Wegelystr. 3, 10623 Berlin
Es handelt sich um ein Tag-tägliches Auseinandersetzen der Pflegekräfte und Ärzte mit Patienten und Patientinnen im Krankenhaus um die Einnahme der selbst mit ins Krankenhaus gebrachten Arzneimittel und auch ein Auseinandersetzen mit der Frage, inwiefern es sinnvoll ist, die gewohnte Medikation für die Dauer des stationären Aufenthalts umzustellen. Nicht selten erfolgen bei Umstellungen im Krankenhaus dann in der Folge nach Entlassung – auch weil die Wirtschaftlichkeit im vertragsärztlichen Wesen, das fordert - dann wieder eine erneute Um- bzw. Wiederzurückstellung der Medikation, was für Patientinnen und Patienten eine Herausforderung darstellen kann. Dies sind alles Aspekte, die es bei der Bewertung der Thematik zu berücksichtigen gilt.
Es gibt in diesem Zusammenhang bspw. folgende Fälle aus der Praxis, die in Krankenhäusern häufig vorkommen und bei denen auf die mitgebrachte Medikation zurückgegriffen wird:
- Patient:in möchte nicht umstellen, sondern die gewohnte Medikation einnehmen.
- Patient:in bleibt nur kurz und man möchte im Sinne des Patienten oder der Patientin nicht mehrere Umstellungen (während und dann wieder nach Aufenthalt) in Kauf nehmen.
- Patient:in wird aufgenommen, hat eine seltene Medikation, die in der Apotheke nicht verfügbar ist und über den Großhandel besorgt werden muss. Eine Lieferung erfolgt auch in großen Kliniken nicht immer kurzfristig, sodass hier häufig die mitgebrachte Medikation zur Überbrückung genutzt wird, um die Kontinuität der Behandlung nicht zu gefährden.
- Patient:in kommt mit einem hochpreisigen Medikament in ein kleines KH und das Medikament ist nicht mit der Behandlung assoziiert. Häufiges Beispiel hier sind orale Tumortherapeutika und eine nicht-im-Zusammenhang stehende kurze operative stationäre Behandlung. Es ist für das KH wirtschaftlich ein großes Problem, dieses Medikament zu besorgen, und dann nicht aufzubrauchen, weil Patient:in nach einer kurzen Zeit wieder entlassen wird.
Zunächst einmal ist festzuhalten, dass es kein gesetzliches Verbot für die Nutzung und Fortführung von eigenen Medikamenten im Krankenhaus gibt und auch kein Verbot für Krankenhäuser, Patient.innen sich mit eigenen Medikamenten versorgen zu lassen. Patient:innen haben ein Mitbestimmungsrecht bei ihrer Therapie, gleichzeitig hat das medizinische/pharmazeutische Personal die Verantwortung die Medikation zu prüfen und zu dokumentieren und muss sicherstellen, dass keine Wechselwirkungen oder Fehldosierungen auftreten, sowie auch eine sichere Lagerung gewähren.
Hier nicht Thema, aber in Sachen Betäubungsmittel BTM gilt besondere Beachtung: Wenn Patient:innen ihre eigenen BTM mitbringen, müssen Klinikpersonal und Patient klären und dokumentieren, wie eine sichere Aufbewahrung erfolgen soll und wann und wie die Einnahme der BTMs zu erfolgen hat.
Auch wenn es keine gesetzliche Festlegung gibt, existieren organisatorische und sicherheitsbezogene Regelungen und Empfehlungen* wie die Medikation zu erfolgen und zu dokumentieren ist, sodass im Nachhinein nachvollziehbar ist, dass der Patient auf die Einnahme seiner mitgebrachten Medikation bestanden hat bzw. warum die eigene Medikation weitergeführt wurde. Diese gilt es zu beachten. Viele Krankenhäuser regeln den Umgang mit selbstmitgebrachten Medikamenten in SOPs oder in ihrer Hausordnung, was sehr zu empfehlen ist.
Quellen:
*Handlungsempfehlungen des Aktionsbündnisses Patientensicherheit: „AMTS im Krankenhaus"
https://www.aps-ev.de/wp-content/uploads/2024/06/220714_HE_AMTS_KH_2022.pdf
*ADKA-Standards: Pharmazeutisches Aufnahmemanagement für Krankenhausapotheker*innen - 07 - 2025 - Heftarchiv – KPH.
https://www.krankenhauspharmazie.de/heftarchiv/2025/07/pharmazeutisches-aufnahmemanagement-fuer-krankenhausapotheker-innen.html