CIRS Berlin ÄZQ Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) Deutscher Pflegerat e.V.

Fälle des Monats

Fall des Monats "März 2023": Einhaltung der Transportprozesse

Fall-Nummer
247304

Zuständiges Fachgebiet
Innere Medizin

Altersgruppe des Patienten:
unbekannt

Geschlecht des Patienten:
unbekannt

Wo ist das Ereignis passiert?
Krankenhaus

Welche Versorgungsart:
 

In welchem Kontekt fand das Ereignis statt:
Organisation (Schnittstellen / Kommunikation)

Was ist passiert?
Leider wurden Thrombozytenkonzentrate auf den Schreibtisch der Pflege gelegt, ohne eine Pflegekraft darüber zu informieren. Diese Konserven wurden dann erst ca. eine Stunde nach Lieferung (Uhrzeit auf der Tüte) dort gefunden.

Was war das Ergebnis?
Konzentrate mussten neu bestellt werden

Wo sehen Sie Gründe für dieses Ereigniss?
Einhaltung der Transportprozesse, Übergabe von Blutprodukten durch Transportbedienstete muss an die Pflege erfolgen

Kam der Patient zu Schaden?
 

Welche Faktoren trugen zu dem Ereignis bei:

  • Kommunikation (im Team, mit Patienten, mit anderen Ärzten etc.)
  • Ausbildung und Training
  • Organisation (zu wenig Personal, Standards, Arbeitsbelastung, Abläufe etc.)

Wie häufig tritt dieses Ereignis ungefähr auf?
 

Wer berichtet?
andere Berufsgruppe

Feedback des CIRS-Teams / Fachkommentar


Kommentar:
Fachkommentar des Fachbeirats CIRSmedical.de

Autor: Interdisziplinäre Arbeitsgemeinschaft für klinische Hämotherapie (IAKH) in Vertretung des Berufsverbandes Deutscher Anästhesisten (BDA) und der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie & Intensivmedizin (DGAI)

Problemanalyse

TKs sind zelluläre Blutpräparationen, die nur maximal 4 Tage bei 22°C unter ständiger Agitation (Schaukelwaage) [1 (Kap. 3.3.4.1.)] gelagert werden dürfen. Danach sprechen die erhöhte Rate an bakteriellen Kontaminationen und die stark nachlassende Thrombozytenfunktion gegen eine Transfusion.

Für den Transport und Lagerung innerhalb der Klinik sind gemäß RiLi Hämotherapie [1 (Kap. 4.4.3)] entsprechende Vorschriften geltend. Beides soll „durch eine schriftlichen Anweisung” geregelt sein. Nach Übernahme in den „Verantwortungsbereich des Anwenders” sind Letztere für die korrekte Verwendung der Produkte verantwortlich. Speziell TKs sollen „unverzüglich nach Auslieferung” (RiLi Kap. 4.10.3.2) angewendet werden.

Der Verwurf der Konzentrate durch die unsachgemäße Aufbewahrung muss in diesem Fall als

  1. Unethischer Umgang mit einer potenziell lebenswichtigen Konserve
  2. Durch die unkritische Verordnung vermutlich verzichtbare Therapie (wie hätte sie sonst für eine Stunde nicht vom Therapeuten nachgefragt werden können?)
  3. Unachtsamer und Unkosten-verursachender Umgang mit wichtigen Therapeutika

gewertet werden.

Die Ursachen des Versäumnisses gehen allerdings nicht klar aus der Meldung hervor.

Es kann aus der Meldung geschlossen werden,

  1. dass das Stationszimmer zum Zeitpunkt der Auslieferung für eine Stunde nicht besetzt war (Personalnot - allerdings nicht erwähnt bei den möglichen Ursachen?, Keine Stationssekretärin? Ist das Stationszimmer unverschlossen?)
  2. dass eine Auslieferungsübergabe nicht erfolgt ist (Gibt es eine Vorschrift oder SOP? Hat das Transportpersonal eine Einweisung in den besonderen Blutproduktetransport?)
  3. dass der verordnende Arzt die Auslieferung nicht erwartet hat (War die Transfusionsindikation elektiv oder prophylaktisch? Eventuell zu liberal? Siehe die Indikationen der Thrombozytentransfusion gemäß Querschnittsleitlinien Hämotherapie ([2] Kap. 2.5)! Warum waren es mehrere TK - mehrere Patienten (onkologische Station oder ein refraktärer Patient?)
  4. dass kein Trackingchip bei Konserven oder Behältnis installiert war (bei einer Ausstattung von Konserven mit einem aktiven RFID-Chip könnte die unsachgemäße Lagerung im Stationszimmer auffallen.

Die genauen Umstände sollten im Rahmen einer Aufarbeitung (M&M, Fallkonferenz, persönliches Gespräch) eruiert werden und Konsequenzen aus diesem Vorfall gezogen werden. Für eine onkologische Station mit einer häufigen Transfusionstherapie sollte der Vorgang geregelt sein. Falls die Konserven für einen refraktären Patienten (evtl. sogar mit HLA/HNA-Match) waren, ist ein Verwurf von den aufwändig ausgetesteten Konserven besonders dramatisch, vorrangig wegen der erheblichen therapeutischen und oftmals vitalen Bedeutung.

Prozessqualität

  1. Fortbildung und SOP/VA – alle Mitarbeiter der Einrichtung, besonders der Transportdienst: Richtliniengetreuer Transport und Umgang mit Blutprodukten
  2. SOP/VA – Transportdienst: Transport und Übergabe von Blutpräparationen
  3. M&M zum Fall mit Pflege, Transportdienst, anordnendem Arzt
  4. Meldung an die Transfusionskommission

Strukturqualität

  1. TV, ÄD, Transfusionskommission: Niederschrift der besonderen Einweisung des Transportdienstes in die Besonderheiten des Transports von zellulären Blutprodukten
  2. PDL, ÄD, GF: Überprüfung der Personaldecke, Zugang zum Stationszimmer, etc
  3. TV, Blutdepotleiter, IT: Einrichtung eines Modulsystems/Trackingsystems zur Überprüfung der klinikinternen Anwendung der Konserven
  4. ÄD, TV: Rotationskonzepte der Ärzte ins immunhämatologische Labor/Thrombozytendepot zum Verständnis der besonderen Herstellung, Lagerung und Austestung von TK

Literatur

Häufige Abkürzungen:

ÄD – Ärztlicher Direktor, GF – Geschäftsführung, IT – Informationstechnik, PDL – Pflegedienstleitung, SOP – Stand Operating Procedure, TK – Thrombozytenkonzentrat, TV – Transfusionsverantwortlicher