CIRS Berlin ÄZQ Deuschte Krankenhaus Gesellschaft Deutscher Pflegerat e.V.

Fälle des Monats

    Fall des Monats "Juni 2015": Programmierung des Infusiomaten: Verwechslung von Laufrate & Infusionsvolumen

    • Titel: Programmierung des Infusiomaten: Verwechslung von Laufrate & Infusionsvolumen
    • Fall-Nr: 121812
    • Zuständiges Fachgebiet: anderes Fachgebiet: Intensivpflege
    • Altersgruppe des Patienten: 21-30
    • Geschlecht des Patienten: männlich
    • Wo ist das Ereignis passiert?: Krankenhaus
    • Welche Versorgungsart: Routinebetrieb
    • In welchem Kontext fand das Ereignis statt?: anderer Kontext: Pflegerische Routinemaßnahme (Wechsel des venösen Infusionssystems) auf einer interdisziplinären Intensivstation Hyperglykämie bei Verwechslung der Laufrate und dem manuell einzugebenden Infusionsvolumens (hausinterner Standard). Dies geschah bei einem standardmäßigem Wechsel des Infusomatensystems und Glukose-Infusionslösung am zentralvenösen Katheter. Glukose-Infusion erfolgte für ca. 15 Minuten bei falscher Einstellung der Laufrate unter Verwendung der Infusionspumpe und dazugehöriges Infusomaten-System. Personalschlüssel: 1 Pflegende für 3 Patienten, 2 Ärzte, 12 Patienten insgesamt
    • Was war das Ergebnis: Bei Erkennen des Fehlers durch die betreuende Fachpflegekraft wurde die Infusion sofort gestoppt und der zuständige Arzt verständigt.
    • Wo sehen Sie Gründe für dieses Ereignis?: Der venöse Systemwechsel am zentralvenösen Katheter ist eine hoch anspruchsvolle Tätigkeit von Pflegenden der Intensivstationen. Teilweise sind bis zu 15 Medikamente (Perfusoren und Infusionslösungen) in regelmäßigen Abständen zu wechseln. Dies erfordert eine sehr hohe Konzentration, ein systematisches Arbeiten sowie sehr gute Kenntnisse über Hygiene und Medikamenteninkompatibilitäten. Aufgrund der steigenden Arbeitsverdichtung für Pflegende kann diese Tätigkeit nicht mehr in Ruhe ausgeführt werden und Störungen (Alarme, Besucher, Bedürfnisse anderer Patienten) sind vorprogrammiert. Das Gefühl von permanentem Stress und Hetzerei ist allgegenwärtiger Zustand von Pflegenden. Kaum eine Tätigkeit kann ohne Störung in Ruhe abgeschlossen werden. Die Patientensicherheit ist unter diesen Bedingungen gefährdet.
      • Vermeiden der Situation:
        Technik der Infusomaten: Display sehr klein, unuübersichtlich, man muss sich durch mehrere Menüs klicken. Bei Eingabe des Laufrate wäre eine Rückfrage gut, ob wirklich XY ml/h infundiert werde sollen, was aktiv bestätigt oder geändert werden müsste.
        Hintergrund: Es wird ein Gesamtvolumen eingegeben, da sonst ständig die Infusomatensysteme bis zum Luftleck-Detektor Luft ziehen würden. Organisations-intern wurde sich darauf geeinigt, dem entgegenzuwirken, damit die Systeme nicht ständig Luft ziehen und dann gewechselt werden müssen (noch mehr Zeitaufwand und ständige Diskonnektion an der Hahnenbank).
    • Kam der Patient zu Schaden?: nein
    • Welche Faktoren trugen zu dem Ereignis bei?: 
      • Organisation (zu wenig Personal, Standards, Arbeitsbelastung, Abläufe etc.)
      • Patientenfaktoren (Sprache, Einschränkungen, med. Zustand etc.)
      • Technische Geräte (Funktionsfähigkeit, Bedienbarkeit etc.)
      • Kontext der Institution (Organisation des Gesundheitswesens etc.)
      • Medikation (Medikamente beteiligt?)
    • Wie häufig tritt dieses Ereignis ungefähr auf?: nicht anwendbar
    • Wer berichtet?: Pflege-, Praxispersonal

 

Fachkommentar der Steuergruppe KH-CIRS-Netz Deutschland:

  1. Kommentar:
    Medizintechnik/Infusionspumpe: Meiner Erfahrung nach wäre der Betrieb mit einem Tropfenzähler an der Tropfkammer zu empfehlen - dies würde das Problem beinahe ausschalten.

    Fragestellung: Welchen Typ Infusionspumpen nutzen sie?

Fachkommentar des Fachbeirats CIRSmedical.de:
Autor: Armin Hauss, MScN, RN, staatlich anerkannter Krankenpfleger für Intensivpflege und Anästhesie,
Klinisches Qualitäts- und Risikomanagement, Charité – Universitätsmedizin Berlin

In diesem Bericht geht es um die Verwechslung bei der Programmierung eines Infusiomaten von Laufrate und Infusionsvolumen einer Glucoselösung beim standardmäßigen Wechsel des Infusiomatensystems. Das Modell des Infusiomaten wurde im Bericht nicht genannt.

Hintergrund:
Der regelmäßige Infusionssystemwechsel von einer Vielzahl an Medikamenten (Infusionsspritzenpumpen und Infusiomaten) ist eine anspruchsvolle und fehleranfällige Tätigkeit, die eine hohe Konzentration und Ruhe des Pflegepersonals erfordert. Eine Vereinheitlichung von Infusiomaten und Infusionsspritzenpumpen ist noch nicht in allen Krankenhäusern Standard.

Für die im Bericht beschriebene Verwechslung sind folgende Möglichkeiten denkbar:

  • Ein zu geringer Personalschlüssel des Pflegepersonals und dadurch resultierende hohe Arbeitsbelastung
  • Eine mögliche Ablenkung des Mitarbeiters durch Alarme, Besucher, Bedürfnisse anderer Patienten oder Mitarbeiter
  • Ein zu kleines Display und/oder eine komplizierte Menüführung des Infusiomaten bzw. mehrere unterschiedliche Modelle von Infusiomaten
  • Eine nicht ausreichende Qualifikation des Mitarbeiters

Lösungsstrategien:

  • Adäquate Personalausstattung und ausreichende Qualifikation der Mitarbeiter (Geräteeinweisung etc.) sicherstellen
  • Schaffung einer ruhigen, nicht ablenkenden Arbeitsatmosphäre durch unterstützendes Personal während des Wechsels des Infusiomatensystems
  • Prüfung der Einstellungen durch einen zweiten Mitarbeiter (4-Augen-Prinzip)
  • Vereinheitlichung der Infusiomaten im Krankenhaus
  • Bei vorhandenem Standard Programmierung von Plausibilitäten bzw. Rückfragen/Pop-Up bei Abweichung vom Standard (möglich bei Geräten mit Medikamentendatenbank)
  • Infusiomaten und Infusionsspritzenpumpen mit Schnittstelle zum KIS (Krankenhaus Informationssystem) verwenden, speziell der Medikationsliste des Patienten und Rückfragen/Pop-up bei Inkongruenz von Verordnung und Verabreichung

Der regelmäßige Wechsel des Infusiomatensystems, wie auch andere anspruchsvolle Tätigkeiten, sollten nicht in Zeiten durchgeführt werden, an denen eine hohe Gefahr für eine Ablenkung besteht oder im Nachdienst bei nicht ausreichendem Licht und evtl. Müdigkeit der Mitarbeiter.

Bei Verwechslungen oder nicht korrekten Applikationsraten muss eine engmaschige Kontrolle der jeweiligen Laborparameter des Patienten erfolgen, um einen möglichen Schaden des Patienten zu vermeiden bzw. zu minimieren.

Literatur

  1. Jorch G, Kluge S, König F, Markewitz A, Notz K, Parvu V, Quintel M, Schneider D, Sybrecht GW, Waydhas C. Empfehlungen zur Struktur und Ausstattung von Intensivstationen. Verabschiedet mit Beschluss des Präsidiums der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) vom 30.11.2010. Volltext [cited: 2015 Juni 11]  
  2. Deutsche Gesellschaft für Fachkrankenpflege und Funktionsdienste (DGF). Empfehlung zur qualitativen und quantitativen Pflegepersonalbesetzung von Intensivstationen. 2014. Volltext [cited: 2015 Juni 11]