CIRS Berlin ÄZQ Deuschte Krankenhaus Gesellschaft Deutscher Pflegerat e.V.

Fälle des Monats

Fall des Monats "Oktober 2015": Amphotericin B liposomal ist nicht gleich Amphotericin B

  • Titel: Amphotericin B liposomal ist nicht gleich Amphotericin B
  • Fall-Nr: 127439
  • Wo ist das Ereignis passiert?: Krankenhaus
  • Welche Versorgungsart: Routinebetrieb
  • In welchem Kontext fand das Ereignis statt?: Nichtinvasive Massnahmen (Diagnostik / Therapie)
  • Was ist passiert?: Auf einer Intensivstation erhielten zwei Patienten Amphotericin B i.v.:
    Ein Patient erhielt Amphotericin B liposomal [Handelsname] der andere ein anderes Amphotericin B [Handeslname]. Das Amphotericin B liposomal [Handelsname] war leer die Pflegekraft überlegte, Amphotericin B [Handelsname] anstelle von Amphotericin B liposomal [Handelsname] zu geben, da auf beiden Verpackungen als Wirkstoff "Amphotericin B" angegeben ist. Die jeweiligen Dosierungen unterscheiden sich jedoch erheblich und bei einer Überdosierung von Amphotericin B [Handelsname] kann es zu Atem- und Herzstillstand kommen.
    Die Pflegekraft las den Warnhinweis auf der Verpackung von Amphotericin B [Handelsname] bezüglich der maximalen Dosierung pro kg KG und rief daraufhin den Krankenhausapotheker an. Hier konnte der Irrtum geklärt werden.
    Verwechslungen dieser Art mit schwerwiegendem oder tödlichem Ausgang sind weltweit mehrfach beschrieben worden.
    In Deutschland habe ich hierzu nur einen Fallbericht in Pasis gefunden aber keine Rote-Hand-Briefe oder ähnliches.
    Literatur:
    National Patient Safety Agency, Rapid Response Report 2, 3 September 2007, Risk of confusion between non-lipid formulations of injectable amphotericin.
    www.nrls.npsa.nhs.uk/resources/?entryid45=59874
    Koczmara et al. ALERT: Mix-ups between conventional and lipid formulations of amphotericin B can be extremely dangerous. Dynamics, Canadian Association of Critical Care Nurses. 2011,22(1),24-6, www.ismp-canada.org/download/caccn/CACCN-Spring11.pdf
  • Was war das Ergebnis?: In unserem Krankenhaus wurden der Bestellprozess der Medikamente (Sonderanforderung für Amphotericin B [Handelsname] mit Begründung und geplanter Dosierung) umgestellt, außerdem die Darstellung in der elektronischen Patientenakte. Rundbrief/Email an alle Mitarbeiter.
  • Wo sehen Sie Gründe für dieses Ereignis?: Beide Medikamente haben einen ähnlichen Wirkstoff, der erhebliche unterschiedliche Dosierungen erfordert. Die Unterschiede zwischen den Wirkstoffen sind auf den Packungen nicht ausreichend klar dargestellt. Für die Pflegekräfte, die seit Jahren darauf "getrimmt" werden v. a. auf Wirkstoffe zu sehen und die daran gewöhnt sind, dass die Handelsnamen häufig wechseln, war es anhand der Verpackungen nicht auf den ersten Blick ersichtlich, dass es sich um zwei unterschiedliche Wirkstoffe handelt und dass man diese nicht austauschen kann.

Fall des Monats "Oktober 2015": Amphotericin B liposomal ist nicht gleich Amphotericin B (II)

  • Titel: Amphotericin B liposomal ist nicht gleich Amphotericin B (II)
  • Fall-Nr: 127441
  • Altersgruppe des Patienten: 61-70
  • Wo ist das Ereignis passiert?: Krankenhaus
  • Welche Versorgungsart: Routinebetrieb
  • In welchem Kontext fand das Ereignis statt?: Invasive Massnahmen (Diagnostik / Therapie)
  • Was ist passiert?: Verwechslung liposomales Amphotericin B mit nicht-liposomalem Amphotericin B:
    Im Rahmen der infektiologischen Visite mit Apotheke und Mikrobiologie, wird vom Arzt Amphotericin B liposomal [Handelsname] 350mg (entspricht 5mg/kg KG, Dosis nach Recherche in Zusammenarbeit mit der Abteilung Arzneimittelinformation in der Apotheke) angesetzt, mit korrekter Übertragung von der Pflege in den Kardex.
    In den folgenden Tagen ist Amphotericin B liposomal 350mg [Handelsname] angesetzt, es wird jedoch statt dem auf patientenbezogene Sonderanforderung zu bestellendem liposomalen Amphotericin B [Handelsname] das in der Arzneimittelliste aufgeführte Amphotericin B 350mg (=nicht-liposomales) durch die Pflege bestellt und appliziert (Verwechslung nicht erkannt von stationsärztlichem Dienst, da korrekte schriftliche Anordnung), d. h. ca. 4-fache Überdosierung in Bezug auf Maximaldosis von 1,5mg/kg KG Amphotericin B.
    Nach einigen Tagen wird die Verwechslung erkannt und das Medikament durch den stationsärztlichen Dienst sofort abgesetzt.
  • Was war das Ergebnis?: Eine antimykotische Therapie wird wieder angesetzt.
  • Wo sehen Sie Gründe für dieses Ereignis?: Das Pflegepersonal erkannte aufgrund der Namensähnlichkeit (liposomales versus nicht-liposomales Amphotericin B [Handelsnamen]) nicht, dass es sich um verschiedene, nicht gegeneinander
    austauschbare Arzneiformen handelt.
    Das liposomale Amphotericin B hatte sich im elektronischen Bestellsystem nicht anzeigen lassen, da es nur über patientenbezogene Sonderanforderung bestellbar war. Suchte man nach Amphotericin B, wurde nur das nicht-liposomale Amphotericin B angezeigt.
    Diese Fehlerquelle wurde bereits behoben. Beide Präparate können nur noch über Sonderanforderung bestellt werden und werden so von der Arzneimittelinformation hinsichtlich der Dosis kontrolliert, ggf. mit Rückfrage.
    Im elektronischen Bestellsystem wurden folgende Hinweise hinterlegt, die bei Bestellung automatisch angezeigt werden:

    Handelspräparate mit Wirkstoff Amphotericin B p.o.: "Achtung: Nur zur lokalen Behandlung von Pilzinfektionen im Mund- und Rachenraum und im Gastrointestinaltrakt"
    Achtung: Amphotericin B liposomal [Handelsname] entspricht NICHT Amphotericin B [Handelsname]. Unterschiedliche Dosierung und Indikation beachten!"
  • Welche Faktoren trugen zu dem Ereignis bei?:
    • Kommunikation (im Team, mit Patienten, mit anderen Ärzten etc.)
    • Ausbildung und Training
    • Persönliche Faktoren des Mitarbeiters (Müdigkeit, Gesundheit, Motivation etc.)
    • Organisation (zu wenig Personal, Standards, Arbeitsbelastung, Abläufe etc.)
    • Medikation (Medikamente beteiligt?)
  • Wie häufig tritt dieses Ereignis ungefähr auf?: nicht anwendbar
    Wer berichtet?: Apotheker / Apothekerin

    Fall des Monats "Oktober 2015": Amphotericin B liposomal ist nicht gleich Amphotericin B (II)

  • Titel: Amphotericin B liposomal ist nicht gleich Amphotericin B (III)
  • Fall-Nr: 127443
  • Altersgruppe des Patienten: 91-80
  • Wo ist das Ereignis passiert?: Krankenhaus
  • Welche Versorgungsart: Routinebetrieb
  • In welchem Kontext fand das Ereignis statt?: Invasive Massnahmen (Diagnostik / Therapie)
  • Was ist passiert?: Vermeidung einer Verwechslung liposomales Amphotericin B mit nicht-liposomalem Amphotericin B:
    Sensibilisiert durch einen anderen Fall fällt in der Apotheke eine Bestellung einer hohen Menge nicht-liposomales Amphotericin B [Handelsname] auf.
    MA der Apotheke überprüft auf Station den Kardex von Pat., angeordnet ist seit 2 Tagen "Amphotericin B 4x 100mg" zur Behandlung einer Candidurie (Candida glabrata). In der Literatur finden sich Hinweise, dass nicht-liposomales Amphotericin B bei Candidurie vorteilhafter als liposomales Amphotericin B ist (Fluconazol wäre Mittel der Wahl bei Harnwegsinfektionen mit Fluconazol empfindlichen Candida-Spezies).

    Nach Rücksprache mit der Pflege stellt sich heraus, dass seit 2 Tagen stattdessen liposomales Amphotericin B [Handelsname] verabreicht wird. Die Tagesdosis wäre mit 400mg liposomales Amphotericin/d in Bezug auf das aktuelle Körpergewicht zwar richtig gewählt, aber das Dosisintervall mit 4mal/d statt 1mal/d falsch.
    Ab dem dritten Tag wäre das bestellte Amphotericin B (=nicht liposomal) nach Aufbrauch der Restbestände von Amphotericin B liposomal im Stationsvorrat vorgesehen, welches zwar das eigentlich verordnete Medikament darstellt, aber in einer viel zu hohen Dosierung verordnet und appliziert worden wäre (ca. 4-fache Überdosierung in Bezug auf Maximaldosis von 1,5mg/kg KG). Die bereits auf Station gelieferten Amphotericin B [Handelsname] werden von der Apotheke sofort zurückgenommen, da eine Rücksprache mit dem verordnenden ärztlichen Dienst bis zum späten Nachmittag nicht möglich war.
  • Was war das Ergebnis?: Die Intervention der Apotheke erfolgt nach 2 Tagen, der Patient trägt keinen Schaden davon.
    Die vom verordnenden ärztlichen Dienst gewünschte Oralisierung wird mit dem Hinweis, dass Amphotericin B nicht resorbiert wird und daher keine systemische Wirkung hat, verhindert. Entsprechend der Nierenfunktion von Pat. wird die Medikation in Rücksprache mit Mikrobiologie und Apotheke angepasst.
  • Wo sehen Sie Gründe für dieses Ereignis?: Das Pflegepersonal erkannte aufgrund der Namensähnlichkeit (liposomales versus nicht-liposomales Amphotericin B [Handelsnamen]) nicht, dass es sich um verschiedene, nicht gegeneinander
    austauschbare Arzneiformen handelt.
    Das liposomale Amphotericin B hatte sich im elektronischen Bestellsystem nicht anzeigen lassen, da es nur über patientenbezogene Sonderanforderung bestellbar war. Suchte man nach Amphotericin B, wurde nur das nicht-liposomale Amphotericin B [Handelsname] angezeigt.
    Diese Fehlerquelle wurde bereits behoben. Beide Präparate können nur noch über Sonderanforderung bestellt werden und werden so von der Arzneimittelinformation hinsichtlich der Dosis kontrolliert, ggf. mit Rückfrage.
    Im elektronischen Bestellsystem wurden folgende Hinweise hinterlegt, die bei Bestellung automatisch angezeigt werden:
    Handelspräparate mit Wirkstoff Amphotericin B p.o.: "Achtung: Nur zur lokalen Behandlung von Pilzinfektionen im Mund- und Rachenraum und im Gastrointestinaltrakt"

    Achtung: liposomales Amphotericin B [Handelsname] entspricht NICHT Amphotericin B [Handelsname]. Unterschiedliche Dosierung und Indikation beachten!"
  • Welche Faktoren trugen zu dem Ereignis bei?:
    • Kommunikation (im Team, mit Patienten, mit anderen Ärzten etc.)
    • Ausbildung und Training
    • Persönliche Faktoren des Mitarbeiters (Müdigkeit, Gesundheit, Motivation etc.)
    • Organisation (zu wenig Personal, Standards, Arbeitsbelastung, Abläufe etc.)
    • Medikation (Medikamente beteiligt?)
  • Wie häufig tritt dieses Ereignis ungefähr auf?: nicht anwendbar

 

Fachkommentar der Steuergruppe KH-CIRS-Netz Deutschland:

Fachkommentar des Fachbeirats CIRSmedical.de:

Autorin: Christina Trewendt in Vertretung der Steuergruppe des KH-CIRS-Netz D

In mehreren CIRS-Berichten wird das Verwechslungsrisiko von „Amphotericin B” und „liposomalen Amphotericin B” geschildert (weitere CIRS-Berichte siehe unten bzw. in der Fallverlinkung). Das liposomale Amphotericin B wird in einer anderen Dosierung gegeben als das konventionelle Amphotericin B, deshalb sind diese nicht austauschbar.

Amphotericin B wird in der Behandlung von Patienten mit schweren bzw. lebensbedrohlichen Pilzinfektionen eingesetzt. Bei der Verordnung ist zu berücksichtigen, dass Amphoterhicin B nephrotoxisch wirkt. Die maximale Tagesdosis von 1,5 mg/kg Körpergewicht darf nicht überschritten werden. Bei einer Überdosierung kann es zu Herz- oder Atemstillstand kommen. Die Warnhinweise der Fachinformation sind unbedingt zu beachten [1].

Amphotericin B liposomal ist bei schweren systemischen Pilzinfektionen indiziert. Amphotericin B liposomal wirkt sich im Vergleich mit dem konventionellen Amphotericin B aufgrund der Liposomengröße weniger toxisch auf die Nierenfunktion aus. Laut Fachinformation ist die Dosierung von Amphotericin B liposomal individuell für die Patienten anzupassen und kann nicht auf andere Amphothericin B-Arzneimittel angewendet werden [2].

Beitragende Faktoren der Ereignisentstehung werden in den verschiedenen CIRS-Berichten beschrieben und zusammengetragen. Diese können sein:

  • Identische Wirkstoffnamen: Angabe des Wirkstoffes Amphotericin B auf den Verpackungen der beiden Medikamente, weshalb nicht direkt ersichtlich ist, dass es sich um zwei unterschiedliche und nicht austauschbare Arzneimittel handelt
  • Im elektronischen Bestellsystem ist nur der Wirkstoff hinterlegt: das konventionelle Amphotericin B (= nicht-liposomale) ist in der Bestellliste aufgeführt; das verordnete Amphotericin B liposomal ist über eine patientenbezogene Sonderanforderung zu bestellen
  • Bei der Arzneimittelsuche im elektronischen Bestellsystem wird nur das konventionelle Amphotericin B (= nicht-liposomales) angezeigt: ggf. unzureichendes Wissen bei der Bestellung, dass Arzneimittel mit konventionellem und liposomalen Amphotericin B nicht austauschbar sind.

In der Literatur wurde die Verwechslungen von Arzneimitteln mit Amphoterhicin B und Amphotericin B liposomal mit schwerwiegendem Schaden oder tödlichem Ausgang beschrieben [3, 4]. Die CIRS-Berichte aus dem KH-CIRS-Netz D sollten deshalb zum Anlass genommen werden, die Krankenhausmitarbeiter auf das Verwechslungsrisiko der beiden nicht austauschbaren Arzneimittel hinzuweisen und den Verordnungs- bzw. Bestellvorgang zu prüfen.

Folgende Maßnahmen können eingeleitet werden:

  • Information der Mitarbeiter über das Verwechslungsrisiko (via Intranet, Rundbrief, etc.)
  • Hinweis an den Hersteller über das Verwechslungsrisiko und die Darstellung auf der Verpackung
  • Darstellung des konventionellen und liposomalen Amphotericin B für die Anordnung in der elektronischen Patientenakte bzw. die Bestellung im Bestellsystem
  • Anpassung des Bestellvorgangs zur Minimierung des Verwechslungsrisikos (z. B. beide Arzneimittel ausschließlich über die Sonderanforderung bestellen)
  • Hinterlegung von Warnhinweisen im elektronischen Verordnungs- und Bestellsystem zur Beachtung des korrekten Wirkstoffes und der Dosierung

Quellenangaben:

  1. Amphotericin B. Fachinformation aufrufbar über das PharmNet.Bund-Portal. Online: https://portal.dimdi.de/amispb/doc/2014/04/18/0270604/OBFM3677FF0201CF590B.pdf (Abruf am 25.09.2015)
  2. Liposomales Amphotericin B.Fachinformation aufrufbar über das PharmNet.Bund-Portal. Online: www.pharmnet-bund.de/dynamic/de/am-info-system/index.html (Abruf am 25.09.2015)
  3. Koczmara C, Richardson H, Hyland S, Chim L, Hillebrand N. ALERT: Mix-ups between conventional and lipid formulations of amphotericin B can be extremely dangerous. Dynamics 2011:22(1), 24-26. Online: www.ismp-canada.org/download/caccn/CACCN-Spring11.pdf (Abruf am 25.09.2015)
  4. The Truax Group. Healthcare Consulting Services. Patient Safety Solutions. Amphotericin Mixups Continue. Patient Safety Tip oft he Week. June 11, 2013. Online: www.patientsafetysolutions.com/docs/June_11_2013_Amphotericin_Mixups_Continue.htm (Abruf am 25.09.2015)